


Die Gedenktafel steht am Gehweg im öffentlichen Raum vor dem Gelände der ehemaligen Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme "SS-Reitschule".
"Orte verschwinden nicht. Sie ändern bloß ihr Gesicht. Hier, an diesem Ort, mitten im heutigen Wohngebiet, befand sich seit November 1944 ein Außenlager des KZ Neuengamme. Als Unterbringung dienten die Reithalle und die Stallungen der 1941 hier erbauten Reitschule der SS-Junkerschule. Nach der Zerstörung des Braunschweiger Schlosses und der darin befindlichen SS-Junkerschule Mitte 1944 durch Bomben verlor auch die Reitschule ihre Funktion, sie stand größtenteils leer. Weitere Bombenangriffe zerstörten die Stadt fast vollständig. Wegen des Mangels an Arbeitskräften für die Enttrümmerung suchten die Braunschweiger NS-Behörden gezielt nach KZ-Häftlingen, die diese Arbeiten übernehmen sollten. Aus dem KZ Bergen-Belsen wurden weibliche Häftlinge jüdischen Glaubens, neuere Forschungen gehen von einer Zahl von etwa 800 aus, zur Zwangsarbeit in die SS-Reitschule nach Braunschweig transportiert. Die meisten Frauen und jungen Mädchen stammten aus Ungarn, Jugoslawien, Rumänien sowie der Tschechoslowakei und hatten schon eine Odyssee durch Ghettos und diverse Konzentrationslager hinter sich. Auch Angehörige der Glaubensgemeinschaft Zeugen Jehovas werden in Berichten erwähnt. Die Lebensbedingungen in der Reitschule waren katastrophal, zumal Winter war. Die Frauen schliefen auf dünnem Stroh direkt auf dem Betonboden und mussten sich zu dritt eine Decke teilen. Sanitäre Anlagen gab es nicht. Hinzu kamen die schwere Enttrümmerungsarbeit und das Schneeräumen, die Hände und Füße zum Schutz vor der Kälte notdürftig mit Papier umwickelt. Insgesamt war die Behandlung der Häftlinge unmenschlich, Schläge waren an der Tagesordnung, der Hunger allgegenwärtig. Von der tatsächlichen, bis heute unbekannten Zahl der Frauen, die an den Folgen der unsäglichen Bedingungen starben, verzeichnete das Braunschweiger Standesamt bis zur Schließung des Lagers Ende Februar 1945 lediglich 17 Todesfälle."
Rede der Bezirksbürgermeisterin Ilona Kaula (SPD) anlässlich der Aufstellung der Gedenktafel an der ehemaligen SS-Reitschule Schefflerstr./Ecke Salzdahlumer Str. am 22.6.12:
"Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Mitglieder des Stadtbezirksrates 132 […]
In dem Bemühen, sich der nationalsozialistischen Vergangenheit bewusst zu stellen, hat die Stadt Braunschweig ein "Konzept zur Planung, Errichtung und Gestaltung städtischer Erinnerungsstätten zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" entwickelt. Dieses Konzept formuliert Leitgedanken, anhand derer die Arbeit an der Erinnerung in der Stadt Braunschweig gestaltet wird und skizziert verschiedene mittelfristig angelegte Projekte.
Eins davon ist die von unserem Stadtbezirksrat 132 Viewegsgarten-Bebelhof bereits im April 2007 mit großer Mehrheit beantragte Aufstellung dieser Gedenktafel an der ehemaligen SS-Reitschule.
Wir werden in unserer Gegenwart ganz aktuell mit politisch verirrten und verwirrten Menschen konfrontiert, die, teilweise offen, teilweise verdeckt, den Holocaust leugnen.
Die Aufstellung dieses Mahnmals, dieser Gedenktafel, ist eine Möglichkeit, über ihre Präsenz an dieser Stelle die Erinnerung wach zu halten an grausame, für uns und unsere Kinder kaum vorstellbare, menschenverachtende Greueltaten – vor weniger als 100 Jahren geschehen – vor aller Augen und der ganzen Welt.
„Das Gedächtnis ist gleichsam als eine Vorratskammer zu betrachten, in welcher die Vorstellungen zwar nicht in voller Klarheit anwesend, aber doch auch nicht völlig abwesend, sondern in einem mehr oder weniger verdunkelten Zwischenzustand sind, aber wieder erhellt werden können. Mangelt ihnen letztere Eigenschaft, so heißen sie Vergessene."
In diesem Zusammenhang ist auch Das "Gedenkstättenkonzept" zu erwähnen: Ein Konzept gegen das Vergessen. Das Spannungsfeld von Vergangenem und Gegenwärtigem an der Schillstraße ist Bestandteil der Gedenkstättenkonzeption. Durch die angrenzende spätere Bebauung des ehemaligen Lagergeländes schimmert der in blauen Leuchtbuchstaben an einem Gebäude angebrachte Schriftzug "Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit". Spuren einer vergangenen Zeit können so auch inmitten des Alltags entdeckt werden.
Dieser Ort des Erinnerns ist zum zentralen Knotenpunkt eines vernetzten Gedächtnisses der Stadt Braunschweig geworden. Hierfür hat die Stadt gemeinsam mit engagierten Einzelpersonen und Initiativen ein "Konzept zur Planung, Errichtung und Gestaltung städtischer Erinnerungsstätten zur nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“, kurz: Gedenkstättenkonzept erarbeitet.
Und unbedingt zu erwähnen das hervorragende Projekt der Stolpersteine. Mittlererweile an vielen Plätzen und Orten vor unseren Häusern gerade auch in unserem Stadtbezirk zu finden – nicht – Um uns von der Vergangenheit gefangen halten zu lassen – aber als Mahnung – eben ein gelegentliches Stolpern – damit so etwas nie wieder geschehen kann –und die Erinnerung wach zu halten.[…]"