
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Schneller, höher und weiter – in einer sprichwörtlichen „Olympiade der Angst“ – titelt der Spiegel über die aktuellen Sicherheitspläne der Union als Reaktion auf die jüngsten Anschläge in Europa und Deutschland. Der Ministerpräsident hat die Historie vorhin in seiner Regierungserklärung allenthalben erläutert. Da soll morgen ein Maßnahmenkatalog in Form einer „Berliner Erklärung“ präsentiert werden, die es in sich hat:
– Verbot der Vollverschleierung, Burka-Verbot
– Aufweichen der ärztlichen Schweigepflicht
– und zu guter Letzt auch – hier geht es auch um diesen Punkt: Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft.
Angeblich sollen diese Maßnahmen dem Kampf gegen den Terror dienen und für mehr Sicherheit sorgen. Was den letzten Punkt betrifft, steht in dieser „Berliner Erklärung“ wörtlich
– Zitat: „Wir lehnen die gespaltene Loyalität ab. Wer sich für die Politik ausländischer Regierungen engagieren will, dem legen wir nahe, Deutschland zu verlassen.“
Solche Sprüche kenne ich eigentlich nur aus dem Elbflorenz bei einigen montagabendlichen Spaziergängen, aber in einem Papier der Union hätte ich solche Sätze nicht erwartet. Ganz abgesehen vom dem Interview mit Herrn Thümler in der niedersächsischen Presse.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wem dient dieser „neue Kurs“ der Union?! Cui bono, wem nutzt es?! Geht es wirklich um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger, oder geht um das erodierende Wählerpotential am rechten Rand unserer Gesellschaft, respektive der CDU?! Treibt Sie die Angst vor den Rechtspopulisten so sehr, dass Sie dieselben Ausgrenzungsmechanismen an den Tag legen?!
Eines ist klar: Indem Sie scharfmacherische Vorschläge im Überbietungswettbewerb mit Symbolthemen machen – so etwas hatten wir schon im März dieses Jahres mit Frau Klöckner –, verlassen Sie ganz bewusst und willentlich die politische Mitte gen rechts und erzeugen damit nicht nur die gewünschten Schlagzeilen – darum geht es Ihnen ja auch –, sondern auch ein Klima der Unsicherheit und Angst, wie Wolfgang Kubicki von der FDP richtig konstatiert hat.
Nicht nur das! Sie vermengen eine wichtige Errungenschaft der Integration – die der doppelten Staatsbürgerschaft – mit dem der Sicherheit. Das ist unverantwortlich! Ihr populistischer Sicherheitsvorstoß ist nicht mehr als ein gefährliches Wahlkampfmanöver mit dem Ziel, Rechtspopulisten vermeintlich das Wasser abgraben zu können.
Merken Sie sich eines: Extreme Forderungen stärken immer Extremisten und Rechtspopulisten. Es geht um Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und nicht um Spaltungs- und Ausgrenzungsmechanismen. Selbst der Bundesminister des Inneren, Herr de Maizère, sagte
– Zitat: „Gerade in Zeiten wie diesen kommt es darauf an, das Land zusammenzuhalten. Spaltung ist das Geschäft der AfD.“
Weise Worte, wenn Sie mich fragen!
Aber Ihr Vorschlag, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen, ist integrationspolitisch deshalb gefährlich, weil Sie Inhaber zweier Pässe einem unverantwortlichen Generalverdacht im Hinblick auf ein vermeintliches Sicherheits- und Loyalitätsrisiko aussetzen. Das ist eine integrationspolitische Bankrotterklärung.
Und in Bezug auf hier lebende Deutsch-Türken treibt ein solcher Vorschlag gerade diese Gruppe im Endeffekt sogar in die Arme eines Herrn Erdogan.
In diesem Zusammenhang frage ich Sie ganz ernsthaft: Sind Personen wie Herr Onay, Herr McAllister oder meine Wenigkeit – die wir alle einen zweiten Pass besitzen – ein mögliches Sicherheits- oder Loyalitätsrisiko?!
Glauben Sie mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, an unser aller Loyalitätsbekundungen zu unserer Nation und unserem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesens ist nicht zu rütteln!
Das Gefährliche an Ihrer wahltaktischen Strategie ist, dass die doppelte Staatsbürgerschaft vor allem den jungen Menschen hilft, die in Deutschland aufgewachsen und voll integriert sind. Genau diese müssen sich seit unserer Einigung auf Bundesebene, an der Sie, sehr geehrter Herr Minister Pistorius, maßgeblich beteiligt waren – noch einmal herzlichen Dank dafür -, nicht mehr für Deutschland und gegen ihre Eltern bzw. gegen ihre Wurzeln oder umgekehrt entscheiden. Daran ist mit uns nicht zu rütteln!
Daher mein abschließender Appel an Sie: Bleiben Sie auf dem bereits eingeschlagenen Pfad einer teilhabeorientierten Integrationspolitik – Sie sind auf Bundesebene schon einen weiten Weg gegangen – und verlassen Sie den nun verfolgten Weg in die Populismusfalle. Denn dieser Weg ist nicht nur gefährlich für unser Zusammenleben, sondern er steht auch in krassem Widerspruch mit dem grundsätzlichen Verständnis von Willkommens- und Anerkennungskultur. Er ist auch Ausdruck einer überholt national gesinnten Abschottungskultur des vorigen Jahrhunderts.
In diesem Sinne brauchen wir keine „Politik für das Gestern“, sondern auch in Sinne unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts und unserer Sicherheit mehr Haltung und Anstand; schlichtweg mehr Teilhabe und Integration und weniger Ausgrenzung und Spaltung!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!