Dr. Christos Pantazis im Landtag zur geplanten Katar-Reise von Stephan Weil: „Nur Vernetzung ermöglicht einen Wertewandel“

Vom 30. November bis 3. Dezember 2019 wird Ministerpräsident Stephan Weil zu einer Delegationsreise nach Katar aufbrechen. Weil nutzt die Reise, um in Begleitung einer hochrangigen Delegation die wirtschaftlichen Kontakte zum Emirat weiter auszubauen, zugleich wird er sich aber auch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren treffen und sich über die Situation im Land informieren. "Nur eine Vernetzung und ein gegenseitiger Austausch ermöglichen einen langfristigen Wertewandel", erklärte hierzu Dr. Christos Pantazis, stv. Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, während seiner Rede im Niedersächsischen Landtag am Mittwoch, 23. Oktober 2019.

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich glaube, dass es mir in diesem hohen Hause nicht allein so ergeht, dass wir bei den angemeldeten aktuellen Stunden ihrer Fraktion von der Thematik sowie der verwendeten Terminologie nicht immer genau wissen wohin die sprichwörtliche Reise hingehen mag bzw. soll. Wobei wir auch schon beim Thema wären!

War es letztmalig noch ein „Nestbau“, dass sich bei genauerer Recherche als Bundes-Aufnahmeprogramm für 500 traumatisierte Flüchtlinge entpuppte, dass sie im Rahmen der Plenardebatte öffentlichkeitswirksam zu ächten suchten, so soll die Aktuelle ReiseStunde heute in das Golfemirat Katar gehen.

Nun fragt sich der geneigte Bürger, was hat das schwerreiche Golfemirat in einer Aktuellen Stunde des Niedersächsischen Landtages verloren?!

Streng genommen reichlich wenig, wenn nicht eine vom Ministerpräsidenten höchstpersönlich angeführte hochkarätige Wirtschafts-Delegationsreise, der auch einige unserer Kolleginnen und Kollegen angehören werden, in das besagte Golfemirat für Ende diesen Monats anstehen würde.

Und was lege da Nahe, als diese Reise – im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie, einer Technik die sie hier im Hause bis zum Exzess betreiben – im Vorfeld zu skandalisieren.
Das tun sie, in dem sie diese Reise und damit der gesamten Delegation „meinungsflexibles reisen“ vorwerfen.
Ein Adjektiv, dass erstmals als Charakteristikum des zurückgetretenen DFB Präsidenten Reinhard Grindel im Umgang mit Mesut Özil herhalten musste.

Nur damit wir uns hier nicht falsch verstehen! Der gesamten Delegation soll damit mangelnder Anstand und Haltung in strittigen Fragen rund um das Golfemirat – wie z.B. Lohn- und Arbeitsbedingungen oder der internationale Terrorismus – vorgeworfen werden.

Vorwürfe, denen sich Katar nunmehr seit der „Katar-Krise 2017“ durch Mitglieder des Golf-Kooperationsrates aus Gründen der politischen und wirtschaftlichen Rivalität ausgesetzt sieht.

Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich in diesem Zusammenhang unmissverständlich klarstellen, dass der von ihnen geäußerte Vorwurf der mangelnden Haltung in strittigen Fragen gegenüber dem Ministerpräsidenten – aber auch den teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen hier in unseren Reihen – jeglicher logischen Grundlage entbehrt!

Weder ist der Ministerpräsident noch sind Frau Dr. Lesemann, Herr Bode oder Herr Schünemann, „meinungsflexibel reisend“ in Katar unterwegs!

Diese Unterstellung sollten sie daher tunlichst klarstellen!
Ganz abgesehen davon ist die bundesdeutsche als auch die niedersächsische internationale Politik mitnichten „meinungsflexibel“, sondern seit jeher werteorientiert und interessengeleitet.

Als Exportland Nummer 1 lebt Deutschland und Niedersachsen von seiner Offenheit und Vernetzung. Es gilt daher, die Chancen der Globalisierung zu nutzen und ihre Risiken zu minimieren. Um die Globalisierung nach verbindlichen Regeln zu gestalten werden neue Themen wie Rohstoffsicherheit, Klimaschutz, Wasserfragen, Migration und Internetfreiheit in den Blick genommen.

Auch wenn Europa und die transatlantische Partnerschaft die Grundpfeiler unserer internationalen Politik bleiben, müssen wir uns auch auf den Auf- und Ausbau von Partnerschaften mit den neuen Kraftzentren konzentriert.
Neben China und Indien steht hierfür beispielhaft das Emirat Katar.

Seit vielen Jahren unterhalten wir gute Beziehungen mit dem Emirat und arbeiten in zahlreichen unterschiedlichen Feldern eng zusammen. Die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder sind vielfältig: Immer mehr Deutsche leben und arbeiten in Katar. Deutsche Firmen eröffnen Niederlassungen in Doha und katarische Institutionen haben erhebliche Investitionen in deutsche Unternehmen wie Deutsche Bank, Hochtief und Volkswagen geleistet. Dieses Engagement sichert auch deutsche Arbeitsplätze.

Sehr geehrte Damen und Herren,
elementarer Bestandteil einer wertorientierten internationalen Politik stellt das selbstbewusste Werben für Menschenrechte und würdige Arbeitsbedingungen dar… und das gilt auch und insbesondere für das Golfemirat Qater!

Dieses stetige Werben hat dazu geführt, dass sich das Emirat den offenkundigen Missständen gestellt hat. Als erster Golfstaat überhaupt hat es sich gegenüber der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) verpflichtet, den Rechtsstatus sowie die Arbeitsschutz- und Sozialstandards der Arbeiter zu verbessern und zu kodifizieren.

Dieser Wandel wäre ohne den stetigen Dialog nicht möglich gewesen! Und das ist mitnichten „meinungsflexibel“, sondern folgt einer politischen Handlungsmaxime, die am Montag dieser Woche ihren 50igen Jahrestag gefeiert hat.

Sie lautet schlicht „Wandel durch Annäherung“, weil „wir ein Volk der guten Nachbarn sein wollen … im Inneren und nach außen.“