Möglicher Brexit: „Niedersächsische Landesregierung ist vorbereitet und plant Übergangsgesetz“

Während der Plenarsitzung im Niedersächsischen Landtag am 26. Oktober 2018 verteidigte Dr. Christos Pantazis, stv. Vorsitzender und europapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, die Niedersächsische Landesregierung zu dem Vorwurf der FDP, Niedersachsen sei auf den drohenden Brexit nicht vorbereitet:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

der Brexit, für den die Briten am 23. Juni 2016 mit knapper Mehrheit gestimmt haben, ist nicht nur ein ernstes, sondern vor allem auch ein tragisches Ereignis. Denn wie auch immer das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich aussehen wird: Diesseits und jenseits des Ärmelkanals werden die Menschen, die Wirtschaft und andere Akteure mit negativen Folgen rechnen müssen. Schließlich geht es bei den Verhandlungen zum Brexit ausschließlich um Schadensbegrenzung.

Wie sehr der Austritt Großbritanniens aus der EU die
Menschen in Niedersachsen bewegt, zeigt sich auch am anhaltend hohen Interesse britischer Bürgerinnen und Bürger an Einbürgerungen.

Ich möchte an dieser Stelle allerdings betonen: Ich wünsche mir, dass Großbritannien auch nach seinem Austritt ein enger und vertrauensvoller Partner Europas bleibt. Denn so tragisch die Entwicklung sein mag, hat es Europa in den letzten Jahrzehnten mitgeprägt und -gestaltet: politisch, wirtschaftlich und auch kulturell.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir müssen allerdings feststellen, dass die Brexit-Verhandlungen, die seit dem Juni 2017 geführt werden, bisweilen schwierig verlaufen. Der Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, schätzt zwar, dass mittlerweile für das Austrittsabkommen über 90 Prozent des Textes stehen. Nach wie vor ist in einer zentralen Frage noch kein Durchbruch gelungen: Das ist die Frage der Zukunft der Grenze zwischen Irland und Nordirland. Hierbei geht es um den Erhalt des Karfreitagsabkommens, das vor 20 Jahren die Gewalt auf der irischen Insel beendet hat.

An diesem Beispiel wird offenkundig: Europa bedeutet Frieden – ganz konkret auf dieser Insel – an dieser ehem. Grenze! Die EU darf sich daher zurecht auch Trägerin der Friedensnobelpreis 2012 nenne, weil es das erfolgreichste Friedensprojekt in der Geschichte der Menschheit ist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

Frau Ministerin Honé hat bereits Anfang Oktober richtig angemerkt: Das Zeitfenster für ein Brexit-Abkommen schließt sich bald – Die Zeit drängt! Wir brauchen jetzt Bewegung – vor allem auf britischer Seite! – den diese Seite besitzt offenkundig keinen Plan!
Gelingt dieses nicht, käme es am 29. März 2019 – 23 Uhr – zu einem sog. harten Brexit und alle EU-Verträge fänden keine Anwendung mehr auf Großbritannien. Es wäre kein Mitglied des europäischen Binnenmarktes mehr und müsste sich nach den Handelsregeln der WTO richten.

Verantwortungsvoll und vorausschauend müssen wir insbesondere als Niedersachsen auf alle Szenarien vorbereitet sein. Denn die Auswirkungen eines ungeregelten Brexits wären für uns und unsere Wirtschaft erheblich.

Das Vereinigte Königreich ist für uns das zweitwichtigste Exportland. Dies ist für uns als Agrar- und Automobilland von besonderer Bedeutung, selbst wenn sich unsere Unternehmen bereits vielfach auf die drohende Situation eingestellt haben und beginnen, ihre Produktionswege neu zu organisieren, wie Handelsstatistiken nahelegen.

Der federführende Ausschuss hat sich seit Anfang dieser Periode mit der Brexit-Frage und den Auswirkungen auf unser Land eingehend beschäftigt:

– Es hat mehrmalige Unterrichtungen durch die Landesregierung gegeben,

– Wir haben eine ganztägige Expertenanhörung zu den Auswirkungen des Brexits durchgeführt
und einen
– ersten Entschließungsantrag zu den Auswirkungen auf unsere Hochseefischerei in Cuxhaven eingebracht, da durch den Brexit der Verlust von Fanggebieten für die Hochseefischerei in der Nordsee droht.

Wir haben dabei sehr wohl feststellen können, dass unsere Landesregierung hierzu richtig gut aufgestellt ist! Bei der jüngsten Einbringung des HPE2019 durch die Ministerin ist dieses in genau diesem Zusammenhang von den Vertretern der Opposition ausdrücklich gelobt worden, daher verstehe ich die Stoßrichtung dieser Aktuelle Stunde nicht!

Erlauben Sie mir daher nur einige Beispiele hierzu aufzuführen, die Ministerin Honé sicherlich umfangreicher darstellen wird:

– Niedersachsen stellt einen von zwei Bundesratsbeauftragten, die an Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe teilnehmen (Informationsfluss – Auswärtiges Amt Brüssel)
– Seit Juli 2017 finden zudem regelmäßige Sitzungen der von Niedersachsen initiierten inoffiziellen Bund-Länder-AG Brexit in Berlin statt. (Bis Ende Juni – Niedersachsen Vorsitz inne)
– runden Tisch für die regionalen Akteure in Niedersachsen eingerichtet
– Informationsangebote, z.B. bei Veranstaltungen im Europäischen Informationszentrum (EIZ), in den Ämtern für regionale Landesentwicklung, in den Landesvertretungen in Berlin und Brüssel sowie auf der Homepage des Ministeriums

Der Anfrage des Kollegen Bode hat man entnehmen können, dass man sich sowohl auf einen geregelten, wie einen ungeregelten Brexit einrichtet, denn beide Szenarien sind weiterhin möglich:

o Für den Fall eines geregelten Brexits hat Niedersachsen als erstes Bundesland überhaupt ein umfangreiches Normenscreening durchgeführt.

o Der Entwurf eines niedersächsischen Brexit-Übergangsgesetzes ist angekündigt

o Für den Fall eines ungeregelten Brexits ist das Vereinigte Königreich ein Drittstaat und es besteht folglich keine Gleichbehandlung mit EU-Mitgliedstaaten

o Niedersachsen wird hier – in enger Abstimmung mit der EU-Kommission und Bundesebene – Notfallpläne (Zollkontrollen, Flugverkehrs, Lieferketten, Sicherheit und Prüfanforderungen) entwickeln.

Ich komme daher abschließend auf die Frage der aktuellen Stunde zurück:

„Der Brexit und die Folgen für Niedersachsen –
Landesregierung ohne Plan?“

Im Gegenteil, sehr geehrter Herr Oetjen, diese Landesregierung und diese Ministerin haben einen Plan und genau das sollten Sie bei der Anmeldung ihrer nächsten aktuellen Stunde beherzigen!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!