Niedersachsen für den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen stark aufstellen

Während der Plenarrede am 15. November 2018 warb Dr. Christos Pantazis dafür, Niedersächsische Interessen in der kommenden EU-Förderperiode prominent zu platzieren.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Europa ist nicht nur Brüssel. Europa sind die Kommunen, Städte und Regionen der EU. Hier leben über 500 Millionen Menschen, die direkt von europäischer Politik profitieren. Hier setzen viele EU-Programme an. Nach einer Erhebungkommen über 94 Prozent des EU-Haushalts den Bürgerinnen und Bürgern, Regionen, Kommunen, Landwirten und Unternehmen in der EU zugute. Die Europäische Union fördert in allen EU-Staaten Projekte und Programme, beispielsweise für die Regional- und Stadtentwicklung, Beschäftigung und soziale Eingliederung, Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums, Meeres- und Fischereipolitik sowie Forschung und Innovation. In der noch laufenden Förderperiode von 2014 bis 2020 konnte Deutschland und insbesondere Niedersachsen massiv vom EU-Haushalt profitieren. In Zahlen ausgedrückt: 19,2 Milliarden Euro EU-Förderung aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, 5 Milliarden Euro jährlich für die Landwirtschaft und EU-weit bis zu 80 Milliarden Euro für Forschung und Innovation. Es fließt also viel Geld aus Brüssel nach Deutschland und insbesondere auch nach Niedersachsen.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, am 2. Mai 2018 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen, MFR, 2021 bis 2027, veröffentlicht und somit die politischen Prioritäten der EU im genannten Zeitraumfinanziell unterlegt. Sie hat dabei der Entwicklung Rechnung getragen, dass die EU-Politik in den nächsten Jahren vor zwei großen Herausforderungen stehen wird:Erstens. Die EU will neue Schwerpunkte setzen und muss auf Entwicklungen der vergangenen Jahre reagieren. Es entsteht ein Mehrbedarf durch das Hinzukommen neuer Aufgabenfelder, z. B. Grenzsicherung, europäische Sicherheitspolitik, Migration und Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von ca. 10 Milliarden Euro jährlich.

Zweitens die Auswirkungen des Brexit. Großbritannien will Ende März 2019 als Mitgliedsland aus der EU ausscheiden. Damit fallen die britischen Mitgliedsbeiträge in Höhe von etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr weg. Das setzt den EU-Haushalt zusätzlich unter Druck. Der Mehrbedarf soll dabei durch Einsparungen und Umschichtungen sowie höhere Beitragsleistungen der Mitgliedstaaten finanziert werden. Uns allen ist bewusst, dass die EU zur Finanzierung aus Eigenmitteln verpflichtet und für zukünftige Aufgaben finanziell angemessen auszustatten ist. Neben den traditionellen Einnahmequellen werden aktuell auch zusätzliche und alternative Einnahmequellen wie die Digital- und Finanztransaktionssteuer diskutiert – unter Aspekten der Gerechtigkeit und des fairen Wettbewerbs ein absolut sinnvoller Lösungsansatz. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, beginnend mit dem 29. Mai 2018 hat die Kommission Verordnungsvorschläge für die Kohäsionspolitik, aber auch für den Europäischen Sozialfonds nach 2020 veröffentlicht. Die Mittelausstattung für die Kohäsionspolitik soll danach insgesamt 330 Milliarden Euro betragen. Für Deutschland sollen davon 15,5 Milliarden Euro bereitgestellt werden, was einer Mittelreduzierung von mindestens 20 Prozentgegenüber der laufenden Förderperiode gleichkäme. Sicherlich sind infolge des Brexit und aufgrund des Hinzukommens neuer Aufgaben Kürzungen unvermeidlich. Gleichzeitig sind die finanziellen Einschnitte bei der EU-Kohäsions- und Agrarpolitik in ihrer jetzt vorgeschlagenen Form nicht zielführend. Viele Ziele der bisherigen Förderung sind noch nicht erreicht und können nicht faktisch für erledigt erklärt werden, weil sich nun der Maßstab verschoben hat.

Um den drohenden erheblichen Rückgang abzumildern, hier insbesondere der Mittel für die ländliche Entwicklung in der zweiten Säule und die Absenkung der EU-Kofinanzierungssätze, sind wir der festen Überzeugung, dass die Vorschläge nachgebessert werden müssen. Nur dadurch wird die europäische Strukturpolitik in der Fläche weiterhin sichtbar bleiben, ganz abgesehen davon, dass Deutschland in besonderer Weise zur Schließung der durch den Brexit entstehenden Einnahmelücke beiträgt. Ferner ist auch eine Kürzung der Gesamtmittel für die Europäische Territoriale Zusammenarbeit, INTERREG, vorgesehen, obwohl die EU-Kommission hier den bedeutenden Mehrwertanerkennt. Die ursprüngliche Absicht, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, ist von der EU-Kommission nicht weiterverfolgt worden.

Das geht für uns nicht zusammen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Vor diesem Hintergrund gilt es, Niedersachsen für den kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen stark aufzustellen. Genau das findet in dem vorliegenden Entschließungsantrag seinen Niederschlag. Darin bitten wir die Landesregierung und hier im Besonderen Sie und Ihr Haus, Frau Ministerin Honé, die strategische Ausrichtung der niedersächsischen Förderpolitik mit Blick auf den kommendenFinanzrahmen abgestimmt weiterzuentwickeln. Wir wollen Sie in Ihrer kraftvollen Rolle als Europa- und Regionalministerin dabei unterstützen, dass der für Deutschland vorgesehene überproportionale Rückgang der Strukturfondsmittel, der Rückgang der GAP-Förderung und die ebenfalls beabsichtigte Absenkung der EU-Kofinanzierungssätze mindestens abgemildert werden, sodassNiedersachsen auch in Zukunft stark in die Strukturförderung einbezogen und europäische Strukturpolitik in der Fläche sichtbar bleibt. Bei der Diskussion um die Erschließung neuer Einnahmequellen haben wir die klare Erwartungshaltung, dass die Finanztransaktionssteuer auf allen Ebenen weiterverfolgt wird. Die Stabilisierung und Regulierung von Finanzmärkten durch die Verringerung des spekulativen und technischen Handels genießen für uns höchste Priorität.Wir haben allerdings nicht nur klare inhaltliche Vorstellungen, sondern auch solche zum zeitlichen Ablauf der Beratungen. Es ist in unserem vitalen Interesse, dass die Beratungen für die neue Förderperiode bis zur Europawahl im Mai 2019 abgeschlossen werden. Eine Förderstrategie muss intensiv vorbereitet werden, damit die Förderperiode auch effektiv am 1. Januar 2021 beginnen kann und nicht das passiert, was wir schmerzhaft zu Beginn der jetzt laufenden Förderperiode erfahren mussten, die statt in 2013 effektiv erst in 2015 begann. Genau das gilt es im Interesse Europas, Niedersachsens, seiner Regionen und vor allem unserer Bürgerinnen und Bürger zu verhindern.In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschussberatungen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.